Nachruf auf Prof. Dr. Margrit Kennedy

* 21. November 1939
† 28. Dezember 2013

  Kurz vor dem Jahreswechsel 2013/2014 erlag unsere Mitstreiterin Prof. Dr. Margrit Kennedy ihrem leider zu spät festgestellten Krebsleiden. In einem Nachruf in der Tageszeitung taz vom 30.12.2013 würdigte Ulrike Herrmann sie als „charismatische Vordenkerin“ eines gerechteren Geldes.

  In den frühen 1980er Jahren besuchten Margrit und ihr aus Irland stammender Ehemann Prof. Declan Kennedy, die damals beide als Architekten u.a. bei der Internationalen Bauausstellung in Berlin bzw. an der TU Berlin tätig waren, eine Tagung von Anhängern der Geldreformgedanken, bei der ein Vortrag von Helmut Creutz für sie zum Schlüsselerlebnis wurde. In diesem Vortrag klärte sich für sie, was ihr zuvor bei ihren Tätigkeiten als Architektin und Stadtplanerin im In- und Ausland rätselhaft geblieben war: nämlich die Frage, weshalb sich soziale und ökologische Projekte allzu häufig ‚nicht rechneten‘. Die Antwort von Helmut Creutz, dass solche Projekte nicht die vom Kapital geforderte Rendite ‚abwerfen‘, überzeugte sie ebenso wie dessen These, dass das Wachstum von Geldvermögen durch Zinsen und Zinseszinsen und das damit zusammenhängende Wachstum der Realwirtschaft an natürliche Grenzen stoßen müssen. Daraus ergab sich für Margrit und Declan Kennedy eine Entscheidungssituation: sollten sie ihre ohnehin schon ökologisch motivierten Tätigkeiten fortsetzen oder sollten sie versuchen, sich der herkömmlichen Wachstumswirtschaft noch stärker zu entziehen?

  Die Entscheidung fiel schon bald. 1985 zogen Margrit und Declan Kennedy in die Nähe von Nienburg, um dort zusammen mit anderen Menschen das Ökodorf „Lebensgarten Steyerberg“ aufzubauen und in größerem Umfang die aus Australien stammende Landbaumethode der Permakultur zu praktizieren. Aber auch das Geldthema ließ Margrit Kennedy nicht mehr los und im Laufe ihrer weiteren Beschäftigung damit entstand Ende der 1980er Jahre ihr Buch „Geld ohne Zinsen und Inflation“ (1990), das als Goldmann Taschenbuch mehrere Auflagen erlebte. Nach und nach folgten Übersetzungen in mehr als 20 Sprachen.

  Als Margrit Kennedy von 1991-2002 im Fachbereich Architektur der TU Hannover eine Professur für Technischen Ausbau und Ressourcen sparendes Bauen erhielt, trat ihr Engagement für ein gerechteres Geld vorübergehend in den Hintergrund. Aber schon wenige Jahre später begann sie zusammen mit ihrem Mann, geldpolitische Sommertagungen im „Lebensgarten Steyerberg“ zu organisieren, bei denen abwechselnd in deutscher und englischer Sprache mit Wirtschaftswissenschaftlern über die Krisenhaftigkeit und Reformbedürftigkeit des bestehenden Geldwesens diskutiert wurde. Zu den Mitwirkenden gehörte u.a. der belgische Bankfachmann Bernard Lietaer, mit dem Margrit Kennedy im Jahr 2004 das Buch „Regionalwährungen – Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand“ veröffentlichte. Es wurde zum Grundlagenwerk für die damals gerade neu entstehende Regionalgeldbewegung, in der sich das von Christian Gelleri initiierte „Chiemgauer“-Regionalgeld bald zum erfolgreichen Vorzeigemodell entwickelte. Parallel zur Agrar- und Energiewende sollten regionale Komplementärwährungen zu einer Geldwende beitragen und Übungsfelder schaffen, auf denen sich praktische Erfahrungen im Umgang mit einem anderen Geld sammeln lassen.

  Ein Highlight war der Kongress „Monetary Regionalisation“ an der Bauhaus-Universität in Weimar, an dem im Herbst 2006 nahezu 300 Menschen aus mehreren Ländern teilnahmen. Danach ging das anfänglich noch kleine Netzwerk aus schon aktiven und noch in Startlöchern sitzenden Regionalgeld-Initiativen in den „Regionalgeld-Verband e.V.“ über, für den Margrit Kennedy die wichtigste Integrationsfigur und auch Förderin wurde. Daneben baute sie in den folgenden Jahren auch noch das internationale Netzwerk „Money Network Alliance“ (MonNetA) auf, dessen Leitung fortan in den Händen der Hamburger Journalistin Kathrin Latsch liegt.

  In der Zeit von 2003-2009 gehörte Margrit Kennedy auch dem Vorstand unserer „Stiftung für Reform der Geld- und Bodenordnung“ an. Unseren Tätigkeiten gab sie zahlreiche inhaltliche Impulse und besonders dankbar sind wir ihr auch für ihre vielfältige Vernetzungsarbeit. Durch ihre Veröffentlichungen sowie durch ihre unzähligen Vorträge und Rundfunkinterviews wurde Margrit Kennedy zum „bekanntesten Gesicht der deutschen Geldkritiker“ (Ulrike Herrmann). Dank ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit und ihrer besonderen Gabe, komplizierte Sachverhalte allgemeinverständlich darzustellen und andere Menschen zu begeistern, erlangten die Geldreformgedanken einen Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit, der ohne Margrit Kennedy ganz sicher nicht erreicht worden wäre.

  Als nach dem ‚Ausbruch‘ der internationalen Finanz- und Schuldenkrise eine weltweite Occupy-Bewegung Proteste gegen die Macht der Banken organisierte, gab es Transparente mit der Parole, dass Banker nur 1% der Gesellschaft ausmachten und dass sie ihre Interessen rücksichtslos auf Kosten der übrigen 99% durchsetzten. Solchen Vereinfachungen begegnete Margrit Kennedy, indem sie das Motto „Occupy Wallstreet“ im Titel ihres letzten Buches in „Occupy Money“ (2011) umformulierte. Darin machte sie deutlich, dass es der Globalisierungskritik darum gehen sollte, die Strukturen des Geldwesens zu reformieren statt einzelne Akteure innerhalb der bestehenden fehlerhaften Strukturen an den Pranger zu stellen.

  Bei unserer letzten Begegnung zwei Wochen vor Ihrem Tod äußerte Margrit Kennedy die bange Frage: Haben wir die Jahre der relativen Ruhe vor einem weiteren großen Sturm gut genug genutzt, um die Geldreformgedanken zu verbreiten? Welches Chaos könnte sich ausbreiten, wenn auf den internationalen Finanzmärkten weitere Blasen platzen und die Staaten dann nicht noch einmal sog. Rettungspakete mit dreistelligen Milliardenbeträgen finanzieren können? Neben dieser Sorge stand die Hoffnung, dass sich in zukünftigen Krisenzeiten Regionalwährungen als kleine Rettungsboote erweisen und dass sich dann auch wissenschaftliche, zivilgesellschaftliche und politische Kräfte finden, die die Gesamtstruktur des Wirtschaftens gerechter gestalten. In dieser Hoffnung bleiben wir Margrit Kennedy dankbar verbunden. 

Werner Onken